Transformationscoach im Interview: Beate Langhammer

Marc Oliver, Beate Langhammer

7/12/20249 min read

Interview mit Transformationscoach und Führungskraft: Beate Langhammer

In meiner Arbeit hatte ich die Gelegenheit über mehrere Jahre sehr erfolgreich mit Beate Langhammer zusammenzuarbeiten und gemeinsam einen Transformationsprozess zu meistern. Heute wollen wir den Blickwinkel der geschätzten Kollegin, ihren Stil und ihre Einschätzungen für uns alle gewinnen.

Marc Oliver: Wie würden Sie einen typischen Transformationsprozess beschreiben?

Beate Langhammer: Aus meiner Sicht beginnt ein Transformationsprozess häufig ohne das jemand den genauen Startpunkt benennen kann. Also ganz im Gegensatz zu einem klassischen Projekt oder einer Teamentwicklung, die man als Coach begleitet. Meist hat der Prozess der Transformation schon eingesetzt, bevor es überhaupt die handelnden Akteure darin bemerkt haben. Der Transformationsprozess selbst bewegt sich in meiner Wahrnehmung ähnlich einer Wellenbewegung. Oft hat man zu Beginn eine gewisse Vorstellung im Nebel, wohin denn transformiert werden soll, aber oftmals zeigt sich dann erst unterwegs, was tatsächlich einer Transformation bedarf. Die Natur der Veränderung ist geprägt von unheimlich vielen, unvorhergesehenen Dingen, auf die wir als Coaches relativ spontan eingehen müssen. Eine viel höhere Dynamik als in einem z.B. durch Meilensteine besetzten Projekt oder einem Change-Prozess, in dem das Ziel klar definiert wurde.

Marc Oliver: Dann springen wir direkt rein. Stellen Sie sich vor, wir wären jetzt schon mitten in der Transformation, das Ziel ist aber immer noch nicht klar. Was sind denn Methoden, die sie einsetzen, um das Ziel beim Kunden herauszuarbeiten? Also was hilft Ihren Kunden die Klarheit zu gewinnen und den Nebel zu lichten?

Beate Langhammer: Das kommt immer auf den Kunden und die vorherrschenden Präferenzen an. Zum Einsatz kommen dann z.B. verschiedene Fragetechniken wenn die Kunden schon über eine gewisse Erfahrung verfügen. Was ich auch sehr gut in der eigenen Erfahrung miterlebt habe, ist der Einsatz verschiedener Canvas mit dem entsprechenden Workshop dazu. Diese sind schon vom Design her darauf ausgerichtet, sich einer Zielformulierung schrittweise zu nähern. Steht die Organisation noch ganz am Anfang, kann über eine fundamentale Wertearbeit ebenfalls eine Annäherung gewonnen werden. Für eine gute, mögliche Fragestellung fange ich gerne ganz am Ursprung an, z.B. „Warum machen wir das Ganze denn hier überhaupt?“.

Marc Oliver: Betrachten wir mal in diesem Zusammenhang Ihren letzten Transformationsprozess. Gab es da von Anbeginn einen Zielkorridor oder haben Sie diesen irgendwie herausfinden müssen?

Beate Langhammer: Klar war, dass es so wie bisher nicht in der Organisation weitergehen kann. Die Zukunftsfähigkeit stand auf dem Spiel und es war mindestens der Führungsebene klar, dass wir in der sogenannten Vuca-Welt, in der sich jederzeit alles verändern kann -Stichwort Krisen-, einfach nicht schnell genug sind, um überhaupt das Bestehen der Organisation aufrechtzuerhalten. Das war schon irgendwie bewusst, auch dass die Lösungselemente irgendwo in der Digitalisierung verborgen liegen. Wir haben dann Visions- und Missionsarbeit gemacht und herausgefunden, wo die Organisation hin muss und möchte. Dabei wurde auch schon ganz konkret herausgearbeitet, was die einzelnen Organisationseinheiten tun können, um die entstandene Vision wirklich ins reale Leben zu bringen.

Marc Oliver: Wie würden Sie Ihren persönlichen Stil als Transformationscoach charakterisieren?

Beate Langhammer: Also grundsätzlich bin ich von meiner Ausbildung her und auch aus innerer Überzeugung im systemischen Coaching unterwegs. Das heißt, jede Stellschraube, an der ich etwas verändere, ein Verhalten oder ein Prozess und ähnliches, zieht definitiv mehrere Veränderungen nach sich. Deshalb ist es immer gut das gesamte System zu betrachten und nicht nur ein Thema oder eine einzelne Person. Dabei gehe ich von einem Menschenbild aus, was absolut immer nach Potenzialen schaut und nicht nach irgendwelchen Schwächen, sondern wirklich auf das, was jeder mitbringt. Ich bin wirklich der tiefen Überzeugung, dass jeder Mensch große Potenziale hat.

Marc Oliver: Aus dem systemischen Coaching heraus, entnehme ich, dass Sie dann auch gerne ganzheitlich mit der Organisation arbeiten. Können Sie dabei immer in der Rolle der Fragestellenden bleiben oder erweitert sich die Aufgabe als Transformationscoach?

Beate Langhammer: Als Transformationscoach ist man viel breiter aufgestellt und benötigt aus meiner Sicht mehr als gute Fragetechniken. Ich würde da gerne spontan auf vier Begriffe hinweisen, die sowohl eine Abgrenzung ermöglichen, als auch die Komplexität der Rolle des Transformationscoachs gut veranschaulichen. Also erstmal das "Coaching", dieses geht charakteristisch mit dem „Fragen“ und der Überzeugung einher, dass die Antworten komplett im betroffenen Individuum liegen bzw. dass in der betrachteten Organisation auch ihre höchsteigenen Lösungen liegen. Dann die „Beratung“ als Experte / Transformationscoach ist im Grunde eine Form des Know-how, welches von außen punktuell eingebracht wird. Dann gibt es natürlich noch die „Therapie“ als Grenze, die wir als Coaches unbedingt einhalten, denn dann sind wir in einem ganz anderen Feld, wo schlicht die Expertise und Zulassung fehlt. Als vierten Begriff würde ich die "Trainings" als Variante und Werkzeug nennen. Also im Wirken gezielt zu sagen, ich gebe ein Training auf eine spezielle Kompetenz, sei es Zeitmanagement oder Ähnliches, was die Organisation in ihrer Weiterentwicklung benötigt.

Man merkt in einem Transformationsprozess, doch recht schnell, dass ein reines Führungskräftecoaching oftmals an seine Grenzen kommt und es manchmal einfach einen anderen, stärkeren Impuls braucht. Sei es durch „ich gebe eine Methodik rein“ oder man gibt eben doch mal einen beratenden Hinweis. Aber egal was man tut, es darf niemals darum gehen, die eigenen Wunschvorstellungen aufzudrücken oder die eigenen, vorgefertigten Meinungen - auch Lösungen - zu platzieren.

Marc Oliver: Welche Maßnahme oder welches Werkzeug ist Ihr persönlicher Favorit und warum?

Beate Langhammer: Womit ich sehr gute Erfahrungen gemacht habe, ist tatsächlich eine Coaching-Technik. Der Coachee wählt drei Personen, an die er oder sie denkt. Meist jemand aus dem engen Umfeld, das können Familienmitglieder, Freunde, jemand, der einen sehr gut kennt, sein. Dann eine Person, die man raussucht, die im Feld der Fragestellung ein Experte ist. Nehmen wir mal als Beispiel „wie werde ich eine herausragende Führungskraft?“ Also wählt man einen Experten, z.B. eine beeindruckende oder prominente Führungskraft. Ideal ist jemand, den man nicht persönlich kennt, aber man weiß, dass er oder sie über die Expertise verfügt. Dann kann man noch einen beliebigen Promi nach Wahl nehmen, jemanden den man einfach gut findet. Dann setzt sich der Coachee praktisch und tatsächlich als die jeweilige Person auf einen anderen Stuhl und man stellt im Prinzip Fragen zu dem Thema, zu der Herausforderung und er versetzt sich in diese Rolle und man fragt „Was würde diese Person dir antworten?“.

Das Interessante ist, dass dann ganz andere Lösungen kommen. Weil das ja nicht mehr ich selbst bin, als Coachee, der über dieses Thema spricht, sondern ich spreche aus der Rolle heraus und da kommen ganz kreative, kluge Lösungsansätze. Das ist für mich somit eine der wirksamsten Methoden, die ich bis jetzt erlebt habe.

Marc Oliver: Wahnsinn, hat eine gewisse Magie.

Jetzt haben wir manchmal die Herausforderung, dass der Zeit-Faktor nicht beliebig groß ist, sondern dass es Deadlines gibt. Im Kontext der Verwaltung könnte es z.B. einen festgelegten Rechtskreiswechsel geben oder der Gesetzgeber hat etwas entschieden, was dann gemacht werden muss und sich als alternativlos zeigt.

Haben Sie da Methoden, Maßnahmen oder Werkzeuge, wo sie sagen, das sind welche, die sehr viel in kurzer Zeit möglich machen?

Beate Langhammer: Da würde ich aus eigener Erfahrung die grafischen Boards Canvas und Kanban benennen. In einem konkreten Transformationsprozess wurde damit gearbeitet und keine lange Projektdokumentation oder Detail-Planung gemacht. Sondern ein iteratives Vorgehen gewählt, das gut sichtbar für alle Beteiligten mittels Kanban-Methodik durchexerziert wurde. Immer wenn Zeitdruck herrscht, ist man gut beraten, die Komplexität rauszunehmen, Einfachheit den Vorrang zu geben und einen schlanken, transparenten Überblick zu gewährleisten.

Marc Oliver: Ich glaube, auch das erwähnte Team-Canvas kann eine gute Möglichkeit sein, sehr viel auf einen Blick zu erkennen und ausgesprochen schnell damit zu arbeiten.

Was ist da so ein Zeithorizont in der Durchführung bzw. Ausarbeitung?

Beate Langhammer: Wir haben dafür zuletzt zwei Workshop-Tage angesetzt und auch voll benötigt. Die müssen zwar nicht an aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden, aber ein Team-Canvas wird auch nicht in einem halbtägigen Workshop machbar sein. Ich denke, es birgt bei zu kurzen Zeitfenstern immer die Gefahr der Überforderung für die Mitarbeitenden im Prozess. Das wollen wir unter allen Umständen verhindern und eine positive Erfahrung realisieren, damit die Beteiligung im weiteren Verlauf des Transformationsprozesses hoch und energetisch bleibt.

Marc Oliver: Und das Ergebnis dieser Workshops, welche Potenziale hat das?

Beate Langhammer: Also ich denke vor allen Dingen hat es riesige Motivation und Wertschätzung im Team ergeben. Wir selbst haben es ja auch, als wir die Methodik erlernt haben, durchgeführt. Da hat man gemerkt, wie viel man über andere aus dem Team noch lernen kann, wenn man sich darauf einlässt. Gerade bei der Frage „Wo liegen die Stärken des Teams?“ oder wenn es um Werte geht „Was versteht der einzelne darunter?“. Beide Fragen haben die Potenziale, sowohl das gegenseitige Verständnis zu stärken, sich besser zu verständigen und zeigen häufig auf, dass wir alle gar nicht weit auseinander liegen. Das hat die Ressourcen wirklich freigesetzt, um die eigentliche Arbeit gut anzugehen.

Marc Oliver: Ergänzung zur Frage, welche Maßnahmen oder Werkzeug ist Ihr persönlicher Favorit und warum?

Beate Langhammer: Insbesondere das Timeboxing habe ich aus dem agilen Arbeiten absolut erfolgreich, wirksam und hilfreich erlebt. Es ist der starke Gegenpol zu all diesen klassischen Ausdehnungsgeschichten und wichtig für eine effiziente Meetingkultur.

Dieser Zeiteffekt, also zu wissen, es gibt dafür jetzt nur diesen festen Zeithorizont, setzt ganz andere Energien in der Entscheidung frei. Wir alle verhalten uns gleich ganz anders, wenn wir wissen, es braucht eine Entscheidung beispielsweise binnen fünf Minuten.

Marc Oliver: Haben Sie eine besonders einprägsame Erfahrung in einer Transformation gemacht, positiv oder negativ und welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Beate Langhammer: Ich glaube, eine besonders einprägsame Erfahrung war, mutig zu bleiben, wenn man sich auf so einen Weg begibt und dass nicht alles sofort angenommen werden muss oder gelingen will. Das ist völlig normal. Nehmen wir das Beispiel der Missionsarbeit: Wenn man so eine Vision erstellt und die dann auch veröffentlicht, dann kommt ja erstmal nicht nur Gegenliebe, sondern auch Widerstand und Kritik. Wenn man dann aber in den Dialog tritt und den Menschen die Chance gibt mitzugestalten, wird dadurch ihre eigene Mission anschlussfähig. Sie können das live erleben und viele erkennen auf einmal „Aha, das steckt dahinter, deshalb machen wir das!“ und „Ah, da soll's hingehen!“. Alle Gesprächspartner in dieser Phase haben die gute Chance, ins Verstehen zu kommen und beginnen sich allmählich mit der Vision zu identifizieren. Das war eine schmerzliche und in der Folge zeitgleich eine freudige Erfahrung.

Marc Oliver: Wie bzw. wo akquirieren Sie Ihre Kunden im Feld der Transformationsbegleitung?

Beate Langhammer: Also grundsätzlich ist die erste Fundstelle meine eigene Website. Über www.beatelanghammer.de, aber auch auf den Social-Media-Kanälen wie z.B. Instagram oder Facebook. Letzten Endes ist es aber auch die Mund-zu-Mund-Empfehlung.

Marc Oliver: Ja, es bleibt ein People-Business. Warum nutzen Sie keine Plattformen wie LinkedIn oder Xing?

Beate Langhammer: Diese nutze ich derzeit ausschließlich in meiner originären Rolle als Führungskraft. Weil ich ansonsten die Coaching-Anfragen in der Menge derzeit nicht erfüllen könnte.

Marc Oliver: Das ist ja super spannend für eine junge Kollegin oder junge Kollegen, dass Sie davon ausgehen, wenn ich auch noch in diesen Plattformen unterwegs wäre, dann könnte ich die Aufträge gar nicht bewältigen.

Beate Langhammer: Ja, gerade bei LinkedIn und Xing läuft alles nur komplett als Vorstandsvorsitzende und Aufsichtsrätin. Da habe ich meine Arbeit als Coachin noch nicht drin. Sonst müsste ich wohl oft „ich kann leider nicht“, was - wenn ich länger darüber nachdenke - vielleicht auch so eine Art Selbstschutz ist im Moment.

Marc Oliver: Wie bewerten Sie die Zukunft der Branche und sehen Sie aktive Trends?

Beate Langhammer: Also ich gehe davon aus, dass der Bedarf an Coaches und speziell Transformationscoaches absolut weiter nach oben gehen und auf weitere Branchen expandieren wird. Wenn wir allein mal schauen, die Amerikaner haben es uns früher vorgemacht. Jede Führungskraft hat dort einen Coach, das ist ganz normal. Es gibt Stimmen, die argumentieren, dass viele Dinge, die man durch ein Coaching frühzeitig angehen kann, später den Gang zu solchen Maßnahmen wie einer Therapie und Ähnlichem durchaus verhindern können. Ich glaube, dass das eine durchaus wirksame Methode sein kann, um langwierige Prozesse gar nicht erst erforderlich zu machen.

Marc Oliver:. Daraus resultiert ja und das finde ich auch total spannend, diese Einstellung wie jeder Spitzensportler selbstverständlich einen vernünftigen Coach hat. Wir in Deutschland glauben aber scheinbar, dass wir im Spitzensport „C-Level“, „Führungskraft“ oder „Verantwortungsträger“ es alle irgendwie so und ohne Training und Begleitung können.

Beate Langhammer: Ich glaube insbesondere bei Führung, dass man nur wirklich gut führt, wenn man sich wahrhaftig selbst führen kann. Dabei braucht es eben auch bei dieser Selbstführung vielleicht hier und da einfach einen Impuls von außen und deswegen bin ich überzeugt, es werden nicht nur hunderte, es werden tausende Coaches in Zukunft gebraucht. Definitiv.

Kontakt zu Beate Langhammer

E-Mail: info@beatelanghammer.de
Webseite: https://beatelanghammer.de/